„Das Beste aus zwei Welten – Deutsche Post startet den E-Postbrief“ – hört sich seltsam an, ist es auch. In seinem TV-Prospekt Einkaufaktuell bewirbt der ehemalige Monopolist seinen neuesten Service: Der E-Postbrief funktioniert wie E-Mail, ist aber, im Gegensatz zur E-Mail, sicher. Der elektronische Postbrief? Das ruft Stirnrunzeln hervor.
Was der E-Postbrief kann und was nicht, ist egal. Interessant ist, wie die Deutsche Post ihren neuesten Streich in der hauseigenen Postille bewirbt: Klassische Propaganda, die Ängste schürt, um angebliche Sicherheit zu verkaufen. Mit dabei: Ein Interview mit Jürgen Gerdes, dem Konzervorstand Brief der Deutschen Post DHL, das erschreckend aufschlussreich ist und vor allem eins zeigt: Die Post ist noch lange nicht im Internet angekommen.

Endlich, der E-Postbrief kommt! Jetzt gibt es im Postfach nur noch CDU-Werbung und kein Viagra mehr.
Es ist nicht das erste mal, dass die Post ihr Wochenheftchen für grenzwertige Propaganda verwendet. So machte die Einkaufaktuell schon zur Bundestagswahl 2009 von sich reden, als eine Anzeige der CDU ganzseitig auf dem Titel erschien. Dass es sich um eine Anzeige handelte, war nur schwer zu erkennen.
Heute wirbt die Post nicht für ihre Partei, sondern für den eigenen Service. Die Maßnahme ist indessen ähnlich drastisch. Denn, so erfahren wir aus dem Advertorial:
„Heute ist die E-Mail alltäglich. Millionenfach schwirren elektronische Nachrichten in Sekundenschnelle von Computer zu Computer. E-Mails sind einfach, schnell und preiswert – aber eines sind sie bisher nicht: sicher.“
Was folgt, ist die klassische Instrumentalisierung von Angst:
„Für Hacker ist es ein Leichtes, E-Mails abzufangen, mitzulesen oder gar zu verfälschen.“
Genau. Wer heute noch eine unverfälschte E-Mail erhält, die niemand mitliest, hat wirklich Glück. Aber nicht genug. Denn hinzu kommen Spam-Werbemails mit zwilichtigen Angeboten, die – „so schätzen Experten“ – 95% des gesamten E-Mail-Verkehrs ausmachen.
Es ist schon urkomisch, dass die Post ausgerechnet in einer Wurfsendung an alle Haushalte das Phänomen Spam ankreidet.
Zumindest online will sie den mit dem E-Postbrief verhindern: Denn nur, wer sich mit Reisepass oder Personalausweis registrieren lässt, erhält einen Account für den Service. Den Innenminister wird’s freuen. Dazu kommt: „Jeder E-Postbrief wird nach dem neuesten Stand der Technik verschlüsselt – Hacker haben keine Chance mehr.“
Aha. Natürlich besitzt die Deutsche Post hier viel größere Kompetenz als alle E-Mail-Serviceanbieter in Deutschland zusammen. Schließlich befördern sie seit Urzeiten Briefe und die meisten kommen sogar an.
Die Post scheint das wirklich zu glauben. Zumindest deren Entscheider. Das verwundert nicht, liest man das Interview mit Gerdes. Der verzichtet nämlich lieber auf Online-Shopping, bevor er Kontoverbindung oder Kreditkartennummer preisgibt. Das Missbrauchsrisiko ist ihm einfach zu hoch.
Das kann man ihm nicht verübeln. Erfahrung mit Missbrauch hat sein Arbeitgeber genug. So zum Beispiel bei der Konzerntochter Postbank:
Im Mai 2010 wurde die Postbank zu einer Strafe in Höhe von 120.000 € verurteilt, weil sie freiberuflichen Mitarbeitern ihrer Vertriebstochter bis Herbst 2009 Zugriff auf die Kontobewegungen ihrer Kunden gegeben hatte. Die freiberuflichen Mitarbeiter sollten die Kontodaten auswerten, um damit den Kunden maßgeschneiderte Produkte anbieten zu können. Nachdem die Stiftung Warentest dies im Oktober 2009 bemängelt hatte, sperrte die Postbank den Zugriff für die rund 4.000 Außendienstmitarbeiter (aus Wikipedia).
Das ist vielleicht nicht die beste Vertrauensbasis – gerade, wenn es um den Versand von E-Postbriefen an Empfänger ohne entsprechenden Account geht. Denn:
„Für Empfänger, die keinen E-Postbrief-Account haben, drucken wir den elektronischen Brief aus, kuvertieren ihn und stellen ihn über den Postboten dem Empfänger zu.“
Heisa, endlich können wir lustig wichtige Dokumente über’s Netz verschicken. Denn wir wissen, der Postbote unseres Vertrauens stellt sie dem Empfänger zu. Oder seinem Nachbarn. Oder jemandem ganz anders mit ähnlichem Namen. Ein wichtiger Sprung in die Zukunft.
Update 14.07.2010
Die Deutsche Post veröffentlichte heute mehrere Videos zum E-Postbrief. Hier die Erklärbär-Version:
Beim Stichwort One-Click-Payment sollten dann die Alarmglocken läuten…
Update 23.07.2010
Diesen Kommentar von law-Blogger Udo Vetter muss man sich anhören – danach wird jeder einen großen Bogen um die E-Post machen. Stichwort gläserner Bürger und Adresshandel.
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